Montag, 8. Januar 2018

Fake-news im Vatican, ihre Hintergründe und Konsequenzen und die Herausforderungen für die vaticanische Kommunikation.

A. Gagliarducci befaßt sich in seiner wöchentlichen Kolumne in "Monday in the Vatican" mit den kommenden Herausforderungen für die Kommunikation des Hl.Stuhls und betrachtet sie im Licht vorausgeganger Medienkampagnen.
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"PAPST FRANZISKUS UND DIE NOTWENDIGKEIT DER NICHTPOLARISIERENDEN KOMMUNIKATION"
Das Thema des "Welttages für Soziale Kommunikation 2018" ist "Die Wahrheit wird dich frei machen! (Joh,. 8:32): Fake-News und Journalismus für den Frieden."
Das ist ein entscheidendes Thema, weil die große Reform der Vatican-Kommunikation ihre endgültige Form annehmen soll. Außerdem ist es ein entscheidendes Thema für das kommende Jahr, das ,was die Kommunikation angeht, nicht als einfach angesehen wird.

Ein Beweis, daß dieses Phänomen im Vatican existiert, sind die fake news über den Tod des Papa Emeritus Benedikt XVI, die vom Twitter-account Erzbischofs Luis Ladaria, Präfekt der Glaubenskongregation, verbreitet wurden. Der Account wurde prompt gelöscht.
Er war am Tag vor der Ankündigung aktiviert worden, wahrscheinlich mit dem einzigen Ziel diese fake news zu verbreiten. Einige Tage zuvor war ein falscher Twitter Account für Kardinal Oscar Andrés Rodriguez Maradiaga eröffnet worden.

Während seiner kurzen Lebensdauer verkündete Erzbischof Ladarias falscher Account, daß er ein vom Journalisten Tommaso Debenedetti  eröffneter fake-account sei. Der Name Debenedetti allein erklärte alles.

Debenedetti ist allgemein als Erfinder von Presse-Enten bekannt, als Darbieter gefälschter Interviews und fake news. Am Anfang wirkte er in einem begrenzten Kontext, verkaufte lokalen und kleinen Zeitungen die Interviews, die ihm einige Schriftsteller in italienischer und spanischer Sprache "gewährt" hatten. Im Zeitalter der digitalen Information spezialisierte er sich auf falsche - aber gut konstruierte - Twitter-Accounts. Die Nachrichten, die er über Fake-Accounts verbreitete, hatten konkrete Konsequenzen.
Die fake-news vom Tod des Syrischen Präsidenten Bashir Assad ließen die Ölpreise durch die Decke schießen.

Es ist jedoch nicht wichtig, ob Debenedetti der Erfinder der Twitter-Accounts von Erzbischof Ladaria  und Kardinal Maradiaga war. Der Charakter Debenedettis hilft dabei, die Theorie hinter dem  Verbreiten von fake-news zu verstehen. Debenedettis Fälschungen beruhen auf dem Prinzip, daß niemand Nachrichten überprüft, wenn sie nur saftig genug sind.





Was sagt uns diese Geschichte am Ende? Sie sagt uns, daß hinter der Erfindung von Nachrichten recherchiert wird, um sie plausibel und saftig zu machen.
Die Fake-news vom Tod Benedikts XVI standen z.B. am Ende eines Weges: der Autor der Ente hatte einen möglichen Konflikt identifiziert und dieser Konflikt wurde sehr konkret, als die Sorge um die Bedingungen des "institutionellen Todes" des Emeritus entstand. Die fake-news entstanden in diesem Klima - mit dem Resultat, daß die Geschichte, die viele fürchten, während viele darauf warten sie zu hören, verbreitet wurde.

Sogar die bloße Tatsache, daß Kardinal Rodriguez Maradiaga einen Twitter-Account eröffnet habe, war saftig. Das wurde als Konsequenz der Vorwürfe gegen den Kardinal wegen des Mißmanagements des Fonds der Katholischen Universität von Honduras angesehen und als Teil des Gegenangriffs des Kardinals interpretiert. Der Kardinal erhielt auch einen Unterstützungsanruf von Papst Franziskus.

Die Frage, die hinter diesem Ereignis steht ist sogar noch größer: können die Medien den Hl. Stuhl beeinflussen? Oder besser - ist der Hl. Stuhl in der Lage, dem Druck der Medien zu widerstehen?

Die Frage ist nicht banal. Die beiden Vatileaks-Prozesse haben beispielsweise klar den Versuch gezeigt, die Souveränität des Hl. Stuhls durch die Weitergabe von Dokumenten anzugreifen, um die öffentliche Meinung wegen exzessiver Weltlichkeit und finanziellen Mißmanagements gegen die Katholische Kirche zu drehen.

Sogar klerikaler sexueller Mißbrauch wurde als Werkzeug benutzt, um die Öffentliche Meinung gegen die Kirche einzusetzen. Wenn es wahr ist, daß ein einziger Fall von Mißbrauch zu viel ist, und daß die Schuldigen bestraft werden müssen, so ist es auch wahr, daß die soziale Panik, die durch eine Liste von Mißbräuchen (viele von denen nur angenommen- nicht bewiesen) benutzt wurde/wird um die Intergrität der Kirche anzugreifen, sogar, wenn die Vorwürfe nicht glaubhaft sind.

Diese Themen sind benutzt worden, um die Kirche aufzufordern, ihre Doktrin zu ändern. Das ist z.B. passiert, als der Hl. Stuhl/Vatican-Staat aufgefordert wurde vor einem Kommitee der UN zu berichten, wie die Kinderrechtskonvention umgesetzt worden war - ein Bericht, der Teil der regulären Prozeduren der Konvention ist.
Das Experten-Kommitee ging weit über seine Kompetenzen hinaus - bis zu dem Punkt, vorzuschlagen, das Kanonische Recht zu ändern - etwas, das nichts mit der Jurisdiktion des Vaticans oder des Hl. Stuhls als Staat zu tun hatte und die Beichtstühle als "Grund für einen gefährlichen Schweige-Kodex" beschrieb.

Man kann noch weiter zurückliegende Beispiele finden, z.B. in der Periode des Präkonklaves von 2013. Zu der Zeit betraf der Mißbrauchsskandal Kardinal Keith O´Brien, Erzbischof von St.Andrews und Edinburgh, der später vom Konklave ausgeschlossen wurde, aber auch Kardinal Roger Mahony, Erzbischof emeritus von Los Angeles, der Ziel einer Medienkampagne wurde, die ihn vom Konklave ausschließen sollte.
Anderer Druck kam von Nachrichten und Berichten, die über ein geheimes Vatileaks-Dossier spekulierten und darüber, welchen Einfluß Vatileaks auf  die Entscheidung Benedikts XVI zurückzutreten, gehabt habe.

Das war der Grund, aus dem das Vaticanische Staatssekretariat am 23. Februrar 2013 ein Statement verfaßte, das heute immer noch aktuell ist.

"Im Verlauf der Jahrhunderte"- so liest man im Statement "sahen sich Kardinäle vielen verschiedenen Formen von Druck gegenüber, der sich sowohl gegen einzelne Kardinäle als auch gegen das gesamte Kollegium richtete - mit dem Ziel ihre Entscheidungen zu bestimmen, sie auf politische oder weltliche Weise zu beeinflussen."

Das Statement fügte hinzu, daß "wenn in der Vergangenheit die sog. Mächte, also Staaten, versucht haben, die Papstwahl zu beeinflussen, wird heute die Öffentliche Meinung benutzt, oft auf der Basis einer Einschätzung, die den typischen spirituellen Augenblick, in dem die Kirche lebt, nicht versteht."

Aus diesem Grund war es "bedauerlich, daß - wo der Beginn des Konklaves naht und die abstimmenden Kardinäle gerufen sind, ihre Wahl in völliger Freiheit zu treffen, vor ihrem Gewissen und vor Gott, Nachrichten, die oft nicht  fakten-überprüft sind und nicht einmal auf Fakten überprüft werden können, zusammen mit falschen Berichten verbreitet werden und schwere Gefahren für Menschen und Institutionen hervorrufen."

Die Vatican-Kommunikation ist aufgerufen, sich diesem Druck zu stellen. Dieser Druck besteht nicht einfach nur aus Frontalangriffen gegen die Katholische Kirche. Es gibt viele andere, subtilere Taktiken. Z.B. ist die Diskussion zwischen Konservativen und Progressiven überbetont worden:
diese Debatte schien ein Relikt aus der Vergangenheit zu sein, aber es ist unter Papst Franziskus wieder zu einem mächtigen Thema geworden - so sehr, daß jede Diskussion von der säkularen Presse als fundamental "pro" oder "contra" Papst Franziskus dargestellt wird, während die Entscheidungen des Papstes zur selben Zeit von den Medien benutzt werden, um einen Gegensatz zwischen Franziskus und seinen Mitarbeitern zu kreieren.

So mußte Kardinal Gerhard Müller, der von Papst Franziskus nicht als Präfekt der Glaubenskongregation bestätigt wurde, seine Loyalität gegenüber dem Papst in einem langen Interview mit der Zeitung "Die Zeit" wiederholen. Unter den Fragen betraf auch eine den Grund, warum der Papst ihn nicht as Präfekt bestätigt habe.

Ein anderes Beispiel: ein kritisches Buch zur Theologie Papst Benedikts XVI wird nicht als Ausgangspunkt für eine theologische Diskussion benutzt, sonder eher als  Mittel, um zu zeigen, daß die Kritiker von Papst Franziskus präkonziliare Theologen sind, die auch den Papa emeritus angreifen.

Wir können in diesen Medien-Schachzügen eine Notwendigkeit erkennen, Oppositionen zu schaffen.
Das ist der Grund, warum Benedikt XVI von so vielen Parteien als Werkzeug benutzt worden ist, Papst Franziskus entweder anzugreifen oder zu unterstützen, in Situationen, die den Papa Emeritus ins Zentrum einer Debatte stellen, an der er nie teilnehmen wollte.

Noch etwas anderes muß festgestellt werden: diese Diskussion innerhalb der Kirche wird von den Medien als politische Debatte dargestellt, mit einer Mehrheitsgruppe, die gegen eine Oppositionspartei steht, zusammen mit dem Vorwurf der Gedankenzensur.

Ist die von den Medien benutzte politische Sprache wirklich die für die Katholischen Kirche angemessene Sprache? Hilft diese fortgesetzte Darstellung oppositioneller Fraktionen der Kirche wirklich?

Kardinal Giuseppe Bertori, Erzbischof von Florenz, erklärte am Ende der Synode von 2012, daß der Schlußbericht keine Punkte veröffentlichte, denen nicht per consensus zugestimmt worden war (d.h. durch Consens einer 2/3 Mehrheit der Synodenväter), "weil die Synode nicht darauf abzielt, ine Mehrheit und eine Opposition zu haben" sondern eher "Gemeinschaft zu erzeugen."

Das Hauptziel der Katholischen Kirche ist am Ende Einheit zu suchen und eine Synthese zwischen Parteien zu finden. Am Ende ist das Gegenmittel der Katholischen Kirche gegen fake-news, Gemeinschaft zu schaffen.

Aus diesem Grund kann die Kommunikation des Vaticans nicht den Oppositionen, die die säkularen Medien geschaffen haben, folgen und irgendwelche Fragen mit denselben säkularen Argumenten jener ansprechen, die versuchen die Kirche lobbymäßig zu beeinflussen.  Die Vatican-Kommunikation ist aufgerufen weiter zu gehen, auf eine allgemeine Aussicht hin, die es jedem Gesichtspunkt erlaubt, an der Diskussion teilzunehmen, nach einer Einheit zu suchen, die - mit den Worten Franziskus´ nicht Einförmigkeit ist.

Das ist in diesem Jahr die große Herausforderung für die Kommunikation von Papst Franziskus.
Die Herausforderung beginnt heute - mit der Rede des Papstes an das Diplomatische Corps.
Eines des Themen wird Migration und Flüchtlinge sein, das in diesem Jahr entscheidend ist, alldieweil die UN zwei "Globale Verträge" zu Migranten und Flüchtlingen planen und die Kirche an dieser Diskussion aktiv teilnimmt.
Wird es der Vatican-Kommunikation möglich sein, die Botschaft von Papst Franziskus aus allen und jeden politischen Konnotationen herauszulösen?
Wird es der Vatican-Kommuniktion gelingen, die Botschaft des Papstes im Licht der Soziallehre der Kirche zu erklären, die am Ende mit der Eucharistie und der Vaterschaft Gottes, die alle Menschen zu Brüdern macht, beginnt?
Und - vor allem - wird es der Vatican-Kommunikation gelingen, die unvermeidliche Debatte, die sowohl innerhalb als auch außerhalb der Kirche folgen wird - auf eine breitere Basis zu stellen?

Das ist die große Herausforderung in einem Jahr, das voller Druck der Medien sein wird.
Heute vielleicht mehr denn je.

Quelle: Monday in the Vatican, A.Gagliarducci

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